“Ostpreußen heute”

Das Land
Ostpreußen - eine alte deutsche Kulturlandschaft - hat eine bewegte und bewegende Geschichte hinter sich.
Geographisch im Nordosten Europas, heute im Norden Polens, Rußlands und Litauens gelegen, bezeichnet “Ostpreußen” ein Gebiet, das sich historisch in seinen Grenzen immer wieder gewandelt hat. Heute wird mit dem Begriff meist das ehemals deutsche Gebiet östlich der Weichsel bezeichnet.
Schon ca. 100 nach Chr. berichtet der römische Geschichtsschreiber Tacitus in seiner Schrift “Germania” von östlich der Weichsel siedelnden “Ästiern”, die er als fleißige und fromme Bauern und Bernsteinhändler beschreibt.
Der Bernstein lockte denn auch die frühen europäischen Herrscher immer wieder in diese Region, die um 973 erstmals als “Burus” (Prußen) bezeichnet wurde.
Es folgen Jahrzehnte der vergeblichen Versuche, die dort lebenden Menschen zu missionieren.
Eine feste Größe in Europa wurde Prußen erst durch den Kreuzzug der Deutschen Ordensritter um 1230 und die Unterwerfung der prußischen Stämme.
In der Folgezeit kam das Gebiet immer mal wieder unter polnisch-litauischen, schwedischen, russischen und unter Napoleon auch vorübergehend unter französischen Einfluß.
Heute wird “Ostpreußen” zumeist mit der Vertreibung der dort lebenden Deutschen durch die russische Armee 1944/45 in Verbindung gebracht.
Millionen Vertriebener, die nach dem Krieg in den beiden deutschen Staaten angesiedelt wurden, beklagen bis heute den Verlust ihrer geliebten Heimat.
Zum Ende des Krieges wurden im Gegenzug polnische Bewohner aus jenen südlichen Landesteilen Polens hierher zwangsumgesiedelt, die bei Kriegsende Rußland und der Ukraine zugeschlagen wurden.Polnischer Teil Ostpreußens
Nach dem 2. Weltkrieg kehrte im nun polnischen Teil Ostpreußens eine Zeit der “Totenstille” ein. Die ehemaligen Bewohner waren vertrieben, die neuen Bewohner nahmen die Überreste in Besitz.
Bedingt durch den Kommunismus, die Kriegszerstörung, vor allem aber durch die politische Unsicherheit über die Zukunft Ostpreußens geriet das ehedem landwirtschaftlich geprägte Ostpreußen zum Armenhaus Polens.
Nur wenigen Vertriebenen gelang in den 60er Jahren ein Besuch Ostpreußens.
Ich selbst durfte erst 1989 meine Heimat wieder besuchen. Auch wenn in Polen bedingt durch die sich ankündigenden politischen Veränderungen (Solidarnosc) das Reisen weitaus freizügiger war als z.B. in der damaligen DDR, so kam ich in ein Land der Mangelwirtschaft, des Hungers und bitterer Armut.
Zu jener Zeit war “Deutsches” noch offiziell verpönt. Nur hinter vorgehaltener Hand wurde ich in deutscher Sprache angesprochen, erfuhr von den Schicksalen Verbliebener.
Doch hatte diese Zeit auch ihren ganz eigenen Reiz. Die Armut hatte auch bewirkt, daß Zeugen der Vergangenheit, alte Häuser, Dörfer und Städte zwar zerstört oder heruntergekommen, aber noch in ihrer historischen Substanz erkennbar waren.
Die Menschen, denen ich begegnete, waren stets überaus gastfreundlich. Doch schon damals fiel insbesondere die bittere Armut der alten Menschen auf, die diese jedoch häufig mit großer Würde trugen.
Leider hat sich die Situation der alten Menschen auch bis heute (2007) noch nicht grundlegend gebessert, ja teilweise sogar weiter verschlechtert.
Ein Motiv, das in meinen Bildern immer wieder auftaucht.
In den Folgejahren änderte sich das Bild rasch. Der Kommunismus war hinweggefegt, und es verbreitete sich eine Aufbruchstimmung, insbesondere unter der jüngeren Bevölkerung.
Der Umschwung kam für den polnischen Teil Ostpreußens mit der politischen Anerkennung der Oder-Neiße Linie 1992.
Die Bewohner wußten nun, daß sie eine Zukunft in der Region hatten, und begannen zu investieren.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Situation denn auch erheblich gewandelt. Die Städte wachsen, überall wird gebaut und die westliche Lebensweise hält dramatisch Einzug.
Insbesondere Masuren entwickelt rasant sein touristisches Potential als Natur- und Segelparadies.
Während deutsche Geschichte heute an vielen Stellen sorgfältig konserviert und restauriert wird, und diese als wichtiges touristisches Potential begriffen wird, mußte ich leider feststellen, daß viele historische Zeugnisse inzwischen auch der Moderne weichen mußten.
Konnte man 1989 noch zahlreiche der typischen Vorlaubenhäuser entdecken, so finden sich diese heute nur noch vereinzelt.
Viele der alten Schlösser, Guts- und Herrenhäuser hingegen wurden an Privatleute oder Stiftungen verkauft und teils sehr aufwendig restauriert.
Dieses Land im Umbruch ist noch immer liebenswert. Es lebt noch immer aus der üppigen Vegetation, der teils dramatischen Landschaft und den so typischen ruhigen, stoischen aber sehr gastfreundlichen Menschen.
Man muß nicht aus dieser Gegend stammen, um diese Landschaft zu genießen, hier Entspannung und Erholung zu finden.

Das Königsberger Gebiet (Rußland)
Königsberg war einst die Hauptstadt Ostpreußens, eines der kulturellen Zentren Europas.
In Folge des zweiten Weltkrieges fiel dieser Teil Ostpreußens am Haff und westlich der Memel an Rußland.
Lange Jahre war dieses Gebiet, Stützpunkt der Baltischen Flotte, für Ausländer ein unerreichbares Ziel.
Bekannt war, daß das alte Königsberg dem Erdboden gleichgemacht worden war. Berichte über bitterste Armut drangen nach außen, aber auch über plötzlichen Reichtum einiger weniger Oligarchen.
Im Gegensatz zum polnischen Teil Ostpreußens wurden die Neusiedler des Königsberger Gebietes gezielt im russischen Reich angeworben.
Im Juli diesen Jahres besuchte ich selbst erstmalig den rußischen Teil Ostpreußens.
Überrascht hat mich die unerwartete Freundlichkeit und Herzlichkeit mit der ich aufgenommen wurde.
Auch hier haben die politischen Veränderungen den Menschen neue Freiheiten gebracht, ich konnte mich frei bewegen und die schönen Seiten bewundern, allerdings auch bitterste Armut erleben.
Im Gegensatz zum polnischen (und litauischen) Teil Ostpreußens, wurde im russischen Teil nach Kriegsende deutsches Erbe zielstrebig zerstört, um deutsche Geschichte zu “tilgen”.
Im Zentrum Königsbergs blieb kaum ein Bauwerk erhalten, während sich in den Vororten, umliegenden Städten und Dörfern noch einige Spuren finden.
Mit der politischen Freiheit erwachte jedoch in den letzten Jahren ein starkes Interesse gerade der jungen russischen Bevölkerung, deutsche Geschichte wiederzufinden, zu konservieren und wieder sichtbar zu machen. In den letzten Jahren sind so auch mehrere private Museen entstanden, die sich mit der deutschen Geschichte befassen.
Deutsches Erbe erlebt nachgerade eine Renaissance.
Besonders stolz ist man auf den wiederaufgebauten Dom, der mit Hilfe der Marion-Dönhoff-Stiftung wieder errichtet wurde, und schon konkretisieren sich auch die Überlegungen, das berühmt Königsberger Schloß wieder neu aufzubauen, verwegene Stadtplaner träumen sogar von der Wiederherstellung der gesamten Altstadt auf der Kneiphofinsel.
Das heutige Königsberg, immerhin eine der schnellstwachsenden Wirtschaftsregionen der Welt, zeigt allerdings auch wie keine andere Stadt Ostpreußens, die enorme Kluft zwischen dem Reichtum und den stadtplanerischen Phantasien neureicher Oligarchen und der noch immer bitteren Armut weiter Teile, insbesondere der ländlichen Bevölkerung, bei der es um das blanke Überleben geht.
Das Königsberger Gebiet ist heute eine Region im Aufbruch.
Auf der einen Seite zeigt sie sich dynamisch, rasant wachsend, und prahlerischem Reichtum, aber auf der anderen Seite begegnet man auch einer Armut, wie man sie in Europa eigentlich nicht mehr für möglich hält.

Meine Fotographien
Seit ich 1943 in Marienburg/Westpreußen (Prov. Ostpreußen) geboren wurde, und wie Millionen andere meine Heimat verlassen mußte, sehne ich mich nach diesem Land. Seit 1989 habe ich deshalb die wiedergewonnenen Freiheiten regelmäßig genutzt, das alte Ostpreußen wieder zu besuchen, Altes und Neues zu entdecken, und mit den alten und den heutigen Bewohnern in Kontakt zu treten.
Als Fotografin habe ich dabei natürlich meine Impressionen im Bild festgehalten, Geschichte, Menschen und Natur in ihrem Reichtum eingefangen.
Dabei habe ich gemerkt, daß Bilder aus Ostpreußen weit mehr sind, als Bilder einer vegessenen Landschaft. Weit über den sichtbaren Inhalt hinaus mischen sich bei Menschen, die wie ich Ihre Heimat verloren haben, die Bilder auf dem Papier und die Bilder der Erinnerung zu ganz neuen Motiven.
Deshalb habe ich diese Ausstellung zusammengestellt, um Sie teilhaben zu lassen an der Vielfalt und Kraft der ostpreußischen Landschaft, seiner Menschen und seiner Geschichte.
Aber auch, um jenen, die ihre Heimat verloren haben, zumindest in Bildern ein Stück der Erinnerung wiederzugeben.

Die Bilderthemen
Die in den Ausstellungen gezeigte Auswahl an Bildern umfasst drei Themenkreise:

Menschen
Ostpreußen ist ein Land der Begegnungen mit Menschen. Jenen die einst in der Heimat verblieben oder zurückgekehrt sind, jenen die sich hier in der Folge des letzten Krieges angesiedelt haben, aber auch den Jugendlichen, die dort geboren und aufgewachsen sind.
Dabei fasziniert immer wieder, daß die heutigen Bewohner unabhängig von ihrer ursprünglichen Herkunft in Ihrem Charakter dem der “deutschen” Ostpreußen nicht unähnlich sind.
Die Landschaft scheint den Lebensrhythmus der Menschen bis heute stark zu prägen.

Landschaften
Die einzigartige Landschaft Ostpreußens wurde zigfach beschrieben, z.B. im obigen Ostpreußenlied.
Diese Landschaft hat über die Jahrzehnte und Jahrhunderte ihre ursprüngliche Eigenart bewahrt. Die Seen, das Haff und auch die Wälder und Alleen machen den Reiz dieses Landstrichs aus.
Die Kurische Nehrung wurde jüngst als Weltnaturerbe ausgewiesen, ebenso wie die Marienburg als Weltkulturerbe.
Störchen begegnet man im Sommer überall. Zudem ist Ostpreußen bis heute für seinen Wildreichtum bekannt. Auch Elche wurden in den vergangenen Jahren wieder vermehrt gesichtet.

Spuren
Man muß nicht einmal unbedingt mit der deutschen Geschichte im Rucksack nach Ostpreußen reisen um in jedem Augenblick Spuren der Vergangenheit zu finden.
Unzählige Spuren vergangener Zeiten finden sich in Städten, Gebäuden und Ruinen wieder.
Vielerorts werden diese Spuren inzwischen liebevoll restauriert und neu genutzt.
Andernorts verschwinden aber auch Zeugnisse der Vergangenheit ganz still durch Zerfall oder um Platz für Neues zu schaffen.

Auf “Postkartenidylle” habe ich hier weitgehend bewußt verzichtet, obwohl Ostpreußen diese Motive im Überfluß bietet.
Sanfte Hügel neben kultivierten Feldern, schattenspendende Allen neben atemberaubenden Naturwundern, kleine Dörfer und die Metropole Danzig, das Haff und die Kurische Nehrung als sandige Vorposten zwischen dem Land und der rauen See, die Motive sind schier unerschöpflich.
Ich möchte dem geneigten Leser deshalb zum Schluß einfach raten, diese spannende wie erholsame, ursprüngliche wie zukunftsorientierte, aus der Randlage zurück in das Herz Europas geholte Gegend einmal selbst zu erleben.
“Ostpreußen heute” ist das ideale Ziel für eine erholsame und erlebnisreiche Reise, nur eine Tagesfahrt entfernt vom Niederrhein.

Autor: Jenny Wennmacher
Datum: Samstag, 22. Dezember 2007 23:06
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Ein Kommentar

  1. 1

    Ich freue mich auf Ihre Ausstellung über Ostpreußen im Juni 08 in Krefeld. Jede Bemühung, dem Andenken Preußens zu dienen, finde ich sehr verdienstvoll. Meine Familie kommt aus Soldau, und ich war vor 2 Jahren mit meiner Familie dort. Wir haben eine aufstrebende Kleinstadt vorgefunden, die es lohnt zu besuchen. Auch unsere Ausflüge nach Elbing, Danzig, zum Frischen Haff werden uns unvergeßlich sein. - Werden Sie einige Ihrer Fotos ins Internet stellen? Gutes Gelingen wünscht I.L.

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